Zum Tode George A. RomerosDer Chefkoch des großen Fressens
Bruder verschlingt Schwester, Kapitalismus frisst Mensch: Mit "Night of the Living Dead" erfand George A. Romero den Zombiehorror als Gesellschaftskritik. Nun ist der Regisseur im Alter von 77 Jahren gestorben.
VonChristian Buß
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Was für ein Sommer. Die jungen Menschen feierten 1968 die freie, entgrenzte Liebe, das junge Kino aber feierte die fiese, entfesselte Gewalt. Sam Peckinpah begann die Arbeit an seinem Westernalptraum "The Wild Bunch", in dem Morden so minutiös wie nie zuvor gezeigt wurde. Roman Polanski drehte "Rosemary's Baby", wo das Familienbiotop zur Brutstätte okkulter Kräfte wird. Und Dennis Hopper knatterte mit Peter Fonda in "Easy Rider" durch ein Amerika, das seinen eigenen Träumen längst den Garaus gemacht hatte. Hoffnungslosigkeit, so weit der Horizont reicht.
Am konsequentesten setzte der junge Regisseur George A. Romero, damals 28 Jahre alt, die düstere Kinokehrseite des Sommers der Liebe um: Statt sich in enthemmter Zärtlichkeit einander hinzugeben, so wie es sich die Blumenkinder erträumten, machten die Protagonisten von Romeros Zombie-Movie "Night of the Living Dead" so lange miteinander rum, bis nur noch Knochen vom anderen übrig blieben. Ein großes Fressen, das den modernen Horrorfilm begründete.
Dabei hatte die Produktion fast nichts gekostet. 114.000 Dollar soll das Budget betragen haben, gedreht wurde an Wochenenden und vor allem nachts. Optimale Lichtverhältnisse für die Menschheitsdämmerung.

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Der Film beginnt damit, dass zwei Geschwister eher widerwillig das Grab ihres Vaters auf dem Friedhof besuchen, am Ende haben sie eine Horde Untoter an den Hacken, die ihnen ans Fleisch wollen. Vorfahren fressen ihre Nachkommen, Geschwister reißen sich gegenseitig die Eingeweide raus. Sind das noch Menschen, die da mechanisch in offenbar unstillbarem Blutdurst auf die anderen einbeißen? Als einzige Figur im großen Schlingen behält ein schwarzer Held einen leeren Magen und einen klaren Blick - am Ende wird er allerdings von einer weißen Bürgerwehr an einen Fleischerhaken gehängt.
Eine Gesellschaft mit sich selbst im Krieg
Der als Freizeitprojekt entstandene Low-Budget-Film, bei dem sowohl die production values als auch die family values des alten Hollywood komplett zurückgelassen worden, eröffnete dem Horrorgenre etliche Bedeutungsebenen. Er wurde auf ganz unterschiedliche Weise gelesen: als Genozid-Erzählung, als Medienkritik und natürlich - kurz vor den Dreharbeiten war Martin Luther King ermordet worden - als Rassismusdrama.
Bei aller Gewalthaltigkeit hatte der Film etwas Dokumentarisches, ein kühler Materialismus durchzog die von Romero beschriebene Selbstverspeisung der Gesellschaft. Eine Reihe von emotional ähnlich gedrosselten, bedeutungsschwanger aufgeladenen Schlachtplatten folgten, etwa Tobe Hoopers "Texas Chainsaw Massacre" (1974) oder Wes Cravens "The Hills Have Eyes" (1977).
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Auch das waren Massaker, die eine Gesellschaft zeigten, die mit sich selbst im Krieg war. Kein Horrorsubgenre aber brachte diesen Selbstzerfleischungsaspekt so unausweichlich auf den Punkt wie der von Romero entwickelte und immer wieder lakonisch variierte Zombiefilm. Sechs Stück drehte er davon insgesamt in seiner nicht immer traumhaft verlaufenen Karriere.
1973 probierte sich Romero, der 1940 in der Bronx geboren wurde und sich in seiner Kindheit in den Kinos New Yorks eine fundierte B- und Horrormovie-Bildung aneignete, an dem Seuchenthriller "Crazies"; mit "Martin" lieferte er 1977 eine relativ subtile, hocherotische Vampirmär. Doch mit den Kaltblütern wurde der Regisseur nicht recht warm. Er mochte sie einfach nicht: "Ein paar von ihnen sind menschlich okay, aber die meisten sind Unterdrücker", sagte er einmal in einem Interview.
Klar, Blutsaugen ist elitär, durch den Biss erhält man quasi, ob man will oder nicht, ein Upgrade in adelige Sphären. Zombiekannibalismus hingegen ist demokratisch: Verspeist wird, was einem vor die faulige Visage und die morschen Zähne kommt. Jeder kann Zombienahrung sein, jeder kann Zombiemitbürger sein. Oder wie es Romero einmal zärtlich auf den Punkt gebracht hat: "Ich habe einen kleinen Platz im Herzen für die Zombies. Du kannst ihnen nicht wirklich böse sein, sie haben keine versteckten Ziele, sie sind einfach, was sie sind. Ich mag sie unheimlich gern."
Die Zombies sind also seine große Liebe geblieben. Mit dem Meisterwerk "Dawn of the Dead", in dem sich US-Bürger vor den Untoten in einem Einkaufszentrum flüchteten, brachte Romero 1978 seine Gesellschaftskritik am rigorosesten auf den Punkt. Fressen, kaufen, Bewusstsein dimmen - das ist in der Schockparabel eins. Zurecht wurde Romero in späteren Jahren auch immer als Autorenfilmer und Kapitalismuskritiker gefeiert. Nicht verwunderlich, dass bei den G20-Protesten in Hamburg auch auf von Romero geschaffene Bilderwelten zurückgegriffen wurde. Sein letzter Zombiethriller "Survival of the Dead" lief 2009 im Wettbewerb bei den Filmfestspielen von Venedig.
Nun erlag George A. Romero in seiner Wahlheimatstadt Toronto im Alter von 77 Jahren einem, wie seine Familie mitteilte, "kurzen, aber aggressiven Kampf mit dem Lungenkrebs". Er sei am Sonntag schließlich friedlich eingeschlafen, zur Musik seines Lieblingsfilmes "Der Sieger" mit John Wayne.
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